Stupor! - oder warum mein elfter Geburtstag schrecklich war

Collage von Dora, Text von Antonia

Am Morgen meines elften Geburtstages war keine Eule an meinem Fenster. Keine schneeweiße Hedwig-eule, keine zerzauste graue Weasley-Eule, noch nicht mal ein Käuzchen. Kein Brief für mich. Eine kleine Welt brach zusammen: Ich durfte nicht nach Hogwarts. Kein Zaubertrank-unterricht bei Professor Snape, keine Quidditch-spiele und kein Besuch bei Mr.Ollivanders Zauberstabmanufaktur.
Das klingt in der Retrospektive vielleicht sehr verrückt, aber Hand aufs Herz: Jeder einzelne in unserer Generation hat auf den Brief aus Hogwarts gewartet! Alle kannten wir die Filme und die Bücher und alle waren wir so traurig, als der letzte Film in die Kinos kam und die Saga endete. Alle haben wir Dobby und Dumbledore und Lupin und Tonks und Hedwig beweint.

Harry Potter - das waren nicht nur Bücher. Das war eine ganz eigene Welt, die unsere Generation irgendwie ziemlich geprägt hat. Der Gedanke, das parallel zu unserer persönlichen Dursley-hölle eine zweite Welt existierte, voller Fabelwesen, epischer Schlachten, echter Freundschaften und verrückten Zaubertrankzutaten, lockte uns immer wieder zwischen die Seiten dieser Bücher. Gierig verschlangen wir jedes Wort und dann, bei Kinostart, waren wir alle zu begeistert vom Film um unser Popcorn auch nur anzurühren. Ganz genau und hundertmal hatten wir uns überlegt, in welches der vier Häuser - Gryffindor, Ravenclaw, Hufflepuff oder Slytherin -  wir am besten passen würden. Harry Potter, Ron Weasley, Hermine Granger waren unsere Helden der Kindheit und Jugend - zusammen mit all den anderen verschrobenen und liebenswerten Charakteren. Irgendwie wollten wir es einfach glauben, dass das alles wahr sein kann - irgendwie war dieses Universum zu bunt, zu wirklich und die Helden uns so ans Herz gewachsen, als dass wir sie nach dem Zuschlagen des Buches vergessen könnten. Man könnte beinahe sagen, wir hätten eine emotionale Bindung zu den Charakteren aufgebaut - und wenn ich mir überlege, was für einen Ozean an Tränen ich vergieße bei Snapes Tod und dem legendären Satz "Lilly? Nach all den Jahren?", dann habe zumindest ich das sicherlich getan. Welches Kind wünscht sich keine magischen Kräfte? Oder eine Schule voller Geheimnisse? Spannende Abenteuer an jeder Ecke in einem alten Schloss: wir alle wären gerne mal in Hogwarts gewesen. Und dann diese Welt, eingebettet in die unsere, die so real und so möglich erschien und unsere Fantasie beflügelte. Magie überall!

Letztes Jahr war ich in London. Und als ich vor dem Bahnhof King's Cross stand, war plötzlich alles wieder da. Die Faszination, die mich an die Seiten der sieben Bücher und an die Bilder der acht Filme fesselte, packte mich wieder. Wie eine Elfjährige habe ich das Schild am Gleis Neundreiviertel bewundert und gefühlte fünfzig Fotos geschossen. Harry Potter lässt uns nicht los: Das war keine Phase für die wir uns heute schämen, man denke nur an Twilight, sondern ein fester Bestandteil unseres Großwerdens. Wir sind eingeschult worden mit dem ersten Buch, und als wir mit der Schule fertig waren, lief der letzte Film im Kino. Die Helden Joanne K. Rowlings haben uns begleitet und uns sogar etwas beigebracht: Die Zaubersprüche, zum Beispiel. Und wie wertvoll Freunde sind, und wie kompliziert Erwachsene. Und wir selbst haben uns auch viel beigebracht: Wir haben Youtubevideos auswendig gelernt, so wie Patzer oder Harry Potter in 99 seconds. Was für ein Ohrwurm diese Filmmusik doch ist.
Harry Potter und der Feuerkelch, der Orden des Phöenix, die Kammer des Schreckens und wie sie alle heißen sind mehr als nur Bücher. Sie sind fantastische Mutmacher, über seinen Schatten (oder auf einen Besen) zu springen. Sie sind eine eigene unglaubliche Welt, die wir Muggel leider nicht entdecken werden, die aber irgendwie in uns drinsteckt. Die wir über Jahre verinnerlicht und ins Herz geschlossen haben.
Harry Potter, das sind magische Worte.

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