Sprache, Dear You und Singin the Blues. Gedichte.

Texte von Caro und Lélo, Übersetzung und Illustration von Lena


Singin the blues
Ein Gedicht mit Zeilen aus Me and Bobby McGee

I was feeling nearly faded as my jeans
Am Ende dieser langen Tage
An denen man die Zeit verlebt
Als hätte man sie Eimerweise
Am Dachboden steh‘n
Freedom’s just another word for
Nothing left to lose
Und wenn ich ganz alleine wär
Und es gäb keine Fäden mehr
Um die ich mich zu sorgen braucht
Weil sie mich an andere binden
Just before it rained
Wär ich schon auf dem Weg
Alleine in der großen Welt
Und würd mich zwingen
Nichts zu empfinden
Looking for that home
Ausschließlich in mir selbst
Weil mich diese Angst vorm Fallen
Umso höher fliegen lässt
- Caro



Dear You
Das Original und eine deutsche Übersetzung unserer neuen Hildegard-Autorin Lélo ♥

Dear you, 
I find this formulation pathetic, but my modesty tells me not to write your name. 
I don’t have nothing to write. But I am not lost, not anymore.
I could talk about your eyes, but all I used to see in them is gone.
I could talk about your eyebrows, but it would be ridiculous to spend words on such useless hairs.
I could talk about what we used to do, about you and I, and the ceiling of your room while we were lying on your bed. I could talk about your skin I used to touch, about your lips I used to kiss, about my heart that used to beat. I could say that I loved you, wanted you, needed you.
I could scream that I hate you now, now that you’re gone, now that we’re done. But the truth is, I don’t hate you. All I hate are your feelings that disappeared, my love that stayed, my eyes that cried. I could write about how much I miss your voice, and your whispers in my ears, and your hands under my pants, and your breath that smelled like cold cigaret and old coffee. I could write that I still have that drawing you made, hung on my wall, just above my head when I’m having nightmares. 
I could tell you I wanted more, more than a text message and a tear to tell me you were breaking me. I could tell you I hate you now, I despise you, but I don’t.
Because all I can say, all I can write, all I can see, are the ghost of you in the corner of my mind and souvenir of a danse on a song that I wrote.
Go away,
I still love you
 -Lélo

Liebes Du,
Ich finde diese Formulierug erbärmlich, aber anstandshalber schreibe ich deinen Namen nicht.
Ich habe nichts zu schrieben. Aber ich bin nicht verloren, nicht mehr.
Ich könnte über deine Augen sprechen, aber alles, was ich in ihnen gesehen habe, ist weg.
Ich könnte über deine Augenbrauen sprechen, aber es wäre lächerlich, Worte an solch unbrauchbare Härchen zu vergeuden.
Ich könnte darüber sprechen, was wir gemacht haben, über dich und mich, und deine Zimmerdecke, wenn wir in deinem Bett lagen. Ich könnte über deine Haut sprechen, die ich berührte, über deine Lippen, die ich küsste, über mein Herz, das schlug.
Ich könnte sagen dass ich dich liebte, dich wollte, dich brauchte.
Ich könnte schreiben dass ich dich jetzt hasse, jetzt, wo du weg bist, jetzt, wo wir fertig sind.
Aber die Wahrheit ist, ich hasse dich nicht. Alles was ich hasse sind deine Gefühle die verschwanden, meine Liebe die blieb, meine Augen die weinten.
Ich könnte darüber schreiben wie sehr ich deine Stimme vermisse, und dein Flüstern in meinen Ohren, und deine Hände unter meiner Hose, und dein Atem der nach kalten Zigaretten und Kaffee roch.
Ich könnte schreiben, dass ich immer noch die Zeichnung habe, die du gemacht hast, an meiner Wand, genau über meinem Kopf wenn ich Albträume habe.
Ich könnte dir sagen, dass ich mehr wollte, mehr als eine SMS und eine Träne, um mir zu Sagen, es sei aus. 
Ich könnte dir sagen, dass ich dich jetzt hasse, dich verachte, aber ich mach es nicht.
Denn alles, was ich sagen kann, alles, was ich schreiben kann, alles, was ich sehen kann, sind deine Geister einer Ecke meines Kopfes, und die Erinnerung eines Tanzes zu einem Lied das ich geschrieben habe.
Geh weg.
Ich liebe dich immer noch.



Sprache I
Diese beiden Texte sind im Rahmen einer Schreibwerkstatt Anfang des Jahres entstanden.

Meine Eltern haben sich in einer Buchhandlung kennengelernt, zwischen Kafka und Didion, Taschenbüchern und Hardcovern, Gedichten und Romanen, einer Unmenge an Buchstaben und Wörtern. Von Kindheit an habe ich zwischen zwei Buchdeckeln  genauso viel, wenn nicht mehr Abenteuer und Gefühl gefunden als in der realen Welt. Ich habe um fiktive Charaktere geweint, mich in andere verliebt, wollte wieder andere zum Freund haben. Ich war hunderte verschiedene Personen in weniger als zehn Jahren, ich war an hunderten verschiedenen Orten, ohne jemals mein Zuhause verlassen zu haben. In Satzgefügen, Dialogen, Fremdwörtern habe ich mich gesucht, andere gefunden und mir zu eigen gemacht.  

Sprache II
Sprache ist irgendwo zwischen Österreich, Deutschland und England, Sprache ist Mama und Papa, der einem Kafka zu Lesen gibt, Sprache ist Zaubersprüche aufschreiben, Sprache ist Freunde in Amerika und „Jemand denkt an mich“ mit englischem Akzent. Sprache ist Liebe auf Papier, Sprache ist Notizen, die niemand lesen kann, und Geschichten, die niemand lesen soll, Sprache ist ein Lied auf einer langen Busfahrt, Sprache ist brutal und zärtlich, eine Festung oder ein Käfig, eine Rüstung. Sprache ist ein Lachen, oder eher, dieses Lachen mit ein paar Worten zum Leben erwecken zu können, Sprache ist schreiben, so schreiben, dass man Momente festhalten kann. Sprache ist auf Italienisch nach dem Weg zu fragen, obwohl man nie Italienisch gelernt hat, Sprache ist „OH MY GOD YOUR ACCENT“, Sprache ist sich blamieren weil das Gegenüber zu schnell Französisch spricht, Sprache ist Begeisterung und Filme im O-Ton schauen, Sprache ist, die Untertitel auszuschalten. Sprache ist in Bücherbergen verloren gehen, Sprache ist ein 30-seitiges Worddokument, voll mit Blödsinn, Sprache ist fünf Jahre Tagebuch schreiben, Sprache ist Herkunft, Zuhause, Familie, Zukunft, alles in einem.
- Caro  ♣

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