''Do I contradict
myself?
Very well then
I contradict myself
I am large,
I contain multitudes“
- Walt Whitman
Zu Beginn eines neuen Jahres verlangen und sehnen wir uns nach einem Kehrbesen. Jedes verdammte neue Jahr ein Kehrbesen. Wir schrubben fleißig an dem, was uns nicht gefällt, an dem Schmutz der an uns und unserer Umgebung zu haften scheint, wie ein penetranter Knutschfleck.
Wir richten uns aus ins Licht und lassen unsere doch sehr markanten Schatten hinter uns und versuchen zu vergessen, für mindestens eine Woche, wer wir waren und wer wir nun zu sein scheinen wollen.
Für sie
begann alles wie ein déjà vu, als wäre sie gewaltsam in eine
Zeitkapsel gestopft worden und müsse sich nun mit einem längst
vergessenen Ich fügen.
...Und plötzlich sah sie
sich zurückversetzt. Und plötzlich war alles anders und genauso wie
zuvor....
Ihr Jahr
begann mit einer Erkenntnis, einem sich Öffnen, einem Versuch Dinge,
Gefühle in Worte zu fassen. Worte vor denen sich ihr längst
verdrängtes Ich gefürchtet hätte.
...sie war da und sie war
noch immer so grässlich, noch immer so grässlich wunderschön...
Sie
hatte nie gewollt diese Gefühle zwanghaft zu analysieren und sie
endlosen Definitionen zuzuordnen. Nie wollte sie sagen, ich bin das
und ja, das klingt anders aber ich bin nicht anders, denn ich bin
ich.
Denn wenn man sich selbst so gezielt definiert und
charakterisiert, mit Worten und Bezeichnungen, die zunächst harsch
und zu abenteuerlich klingen, dann hat man sich selbst willentlich
in eine Riesenbox aus Vorurteilen gesteckt, dann hat man sich
jegliche Dynamik und Entwicklung, im eigenen Prozess man selbst zu
sein, genommen.
...ihr Körper bebte, ihr
Körper war elektrisch...
Sie war
bereit sich einzustehen was sie fühlte. Sie fühlte Anziehung und
vielleicht ein wenig Liebe gegenüber einem Körper, der eine Person
beherbergte, die einem Geschlecht zuzuordnen war, welches rein
biologisch, evolutionär, gesellschaftlich inkompatibel mit ihrem
eigenen war.
In
diesem Moment, an diesem Abend konnte nichts mehr falsch sein, als
dieser Satz. Denn was sie fühlte war Begeisterung, Interesse, eine
Verbindung. Was ist falsch an Liebe? Liebe, völlig subjektiv
interpretiert. Liebe für den Moment; in diesem Moment.
...sie erzählte ihr was
sie gerade bewegte, sie erzählte ihr alles...
Sie ist
weder das Mädchen, dass sich seine Familie in dieser Form gewünscht
hätte, noch ist sie radikal anders. Sie ist sie selbst, in diesem
Moment. Sie ist nicht heterosexuell, sie ist nicht homosexuell, sie
ist nicht bisexuell, sie ist nicht asexuell, sie ist verliebt, in
diesem Moment.
...und sie hörte ihr
nicht zu. Inmitten von zertrampelten Chips und leeren Bierdosen lagen
sie da und sie hörte ihr nicht zu...
Sie weiß
nicht, für wie lange dieser Moment anhalten wird. Dieser Moment, der
sie so stark und unerwartet entführt hat und sie weiß nicht mehr
wer sie zu sein scheint. Wenn sie in die alten Gesichter blickt kann
sie sich nicht helfen. Die anderen müssen blind sein, nicht zu
erkennen was sich in ihr bewegt hat. Sie ist so grundlegend anders
als sie war; vor einer Nacht. Sie ist so offensichtlich dieselbe.
…Ihr Körper war
angespannt, ein Brett und zurückversetzt; als sie neben ihr saß im
Englischunterricht und so stark versuchte ein Jemand in ihrer Welt zu
werden...
Sie ist
alles, sie ist etwas, sie ist niemand...vielleicht. Vielleicht ist
sie niemand für jemanden. Vielleicht ist sie etwas. Vielleicht wird
sie einmal alles für diesen Jemanden sein. Vielleicht möchte sie das
genau jetzt in diesem Moment aber vielleicht wacht sie morgen auf und
weiß es nicht mehr.
...sie sahen sich an und
sie wusste, dass sie es wissen musste, denn es stand auf ihrem
Gesicht, es stand auf jedem gottverdammten Winkel ihres Körpers...
0 Kommentare :