Was ich euch gerne sagen würde

Text von Alina, Collage von Lena


Es war ein wirklich kalter Tag im Januar an dem die AFD geführt von Björn Höcke beschlossen hatte in meiner kleinen feinen Heimatstadt zu demonstrieren. Schnee fiel poetisch auf meine Freunde, Familie und die halbe Einwohnerschaft Jenas die sich vor der Stadtkirche zur Gegendemonstration versammelt hatte. Während Höcke keine 50 Meter entfernt auf dem Marktplatz eine Rede hielt, sprach ich folgende Worte in ein Mikrofon, gehalten von meinen zitternden behandschuhten Händen:



Sehr geehrter Herr Höcke, sehr geehrte Menschen auf der anderen Seite der Polizeiabsperrung,

ich möchte euch nicht angreifen, beleidigen - verstehen kann ich euch aber auch nicht.

Mir wird schwindelig,  wenn ich euch seh.
Schwindelig von all der Ignoranz, schwindelig von all dem Hass.
Ich möchte näher zu euch, mehr sehen, mehr begreifen. Ich kann nicht. Gepanzerte Menschen würden mich zurückhalten. So bleibt mir nur, in die Rufe einzusteigen. Ich schrei so laut ich kann: "Nazis raus!".
Für mehr hat es nicht gereicht.
Ich möchte euch übertönen. Übertönen, dass es euch gibt.
Aber das bringt uns nicht weiter.
Wir haben keine unlösbare Flüchtlingskrise, wir haben ein Rassismusproblem.

1054 rechts motivierte Gewalttaten gab es im letzten Jahr. Dabei wurden es Monat für Monat mehr.
Wo soll das hingehen? Was soll damit erreicht werden?
Gewalt egal gegen wen gerichtet ist immer absolut verwerflich.
Die Gewalt der letzten Monate ist jedoch (wenn möglich) noch verabscheuungswürdiger: sie richtete sich gegen Menschen, die Schutz bedurften bzw. diesen gewährleisten wollten.

Wie kann das entstehen? Wie kann sich soviel Angst sammeln, dass man andere Menschen nicht mehr als gleichwertig empfindet? Oder war das schon immer so und nur jetzt, in dieser Situation tritt es zutage? Könnt ihr mir darauf eine Antwort geben?
Ich kann euch nur diese eine Frage beantworten:
Warum sollten wir helfen? Ganz einfach: weil wir es können. Deutschland ist eines der wohlhabendsten Länder der Welt.
Wir haben die Möglichkeiten. Doch wir sind auf dem besten Weg, unsere Menschlichkeit zu verlieren.
Es wird mehr über Flüchtlingsobergrenzen als Hilfsmöglichkeiten diskutiert. Auf Facebook wird regelmäßig zu Hetzjagden aufgerufen. Es ist zum Alltag geworden, brennende letzte Zufluchtsorte von Geflüchteten im Fernsehen zu sehen.

Jedoch bringt diese Krise auch das Beste in Menschen zutage: Spenden wurden gesammelt, nächtelang Notunterkünfte eingerichtet, bei Kälte und Sturm versucht, dass Fackelmärsche nicht an Flüchtlingsheimen vorbeikommen. Kinder haben sich zusammengetan, um mit Kindern zu spielen. Jugendliche verabreden sich wöchentlich zum Deutsch lehren und lernen. Erwachsene verbinden wundgelaufene Füße.
Wir sind eins. Eine Menschheit. Eine Gesamtheit, die sich nur in den Dingen unterscheidet, die sie tut. Und das - unser Verhalten - bestimmen wir selbst.

Es ist die große Wahl, die wir neben all den nichtigen haben: überwinden wir unsere Angst vor dem vermeintlich Fremden und wachsen mit ihm oder ergeben wir uns unserer Furcht.

Unter den jetzt noch nicht Vertrauten ist dein neuer Arbeitskollege, die Ärztin, die dir in 20 Jahren einen Tumor entfernt, dein zukünftiger bester Freund, vielleicht der Mensch, den du bis ans Ende deines Lebens lieben wirst, vielleicht auch nicht.
Wer weiß das schon? Aber wollen wir es nicht wenigstens rausfinden?

Alina Sonnefeld

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