Zerrissene Jeans,
Flanellhemd, viel zu viel verschmiertes Schwarz unter den Augen,
zottelige, schlecht gefärbte Haare. Wütende, kratzige Stimme.
Gitarre im Arm. Und dann schreit Kurt der Welt entgegen, wie sich die
Jugend Anfang der Neunziger Jahre fühlt.
Mit einer Band aus vier
pickligen, seltsamen, wütenden Jungs aus Seattle begann eine gar
nicht so unpolitische Jugendbewegung, die sich vier Jahre lang hielt
und viel zu plötzlich mit einem Kopfschuss endete: Am 5. April 1994
erschoss sich Kurt Cobain, Frontman der Grungeband Nirvana, vor
seinem Haus in Seattle.
Davor hat er eine
Generation geprägt und war derjenige, der den Grunge überhaupt groß
gemacht hat. Man muss die Lage 1990 verstehen: Die Achtziger, geprägt
von Neonfarben, Synthezizermusik, Materialismus und Konsumsucht,
waren vorbei und die Jugend übersättigt von der heilen Konsumwelt.
Diesem Jahrzehnt setzte die neue Jugendbewegung aus Seattle betont
abgefuckte Klamotten, einen wütenden, wilden, echten Sound und
jugendliche Rebellion entgegen – den Grunge. Und da kommt Kurt
Cobain ins Spiel.
1987 gründete er mit
Krist Novoselic die Band Nirvana, entscheidend beeinflusst von den
Melvins und Buzz. Bei einer Tour lernte er seine Frau Courtney Love,
Sängerin von Hole, einer rotzig-wunderbaren Frauenband kennen und
heiratete sie. Klingt erstmal nach heile Welt. Im Gegenteil. Kurt's
Kindheit war eine einzige Katastrophe, bis auf die Gitarre, die er
zum 14. Geburtstag geschenkt bekam. Er beschreibt sich später in
seinen Tagebüchern als einen nagetierhaften, unterentwickelten,
hyperaktiven Spast, und an dieser Selbstwahrnehmung ändert sich
nicht viel: Er sieht sich als „notorisch fertiger Heroinsüchtiger
und Alkoholiker, ein selbstzerstörerischer, dabei jedoch
übersensibler, schwacher, zerbrechlicher, neurotischer kleiner
Wichtigtuer“, der mit dem Erfolg, den Nirvana ihm bringt, nicht
klarkommt. Aber Musik, Musik machen kann er. Und wie. Die Songs, die
er für seine Band schreibt, scheppern vor Ehrlichkeit, Wut, und
Rocksounds. Punkrock bedeutet Freiheit, sagt er.
Und Rebellion. Widerstand
gegen die „Gefräßigen“, die Rockefellers, alle sexistischen,
rassistischen und homophoben Menschen. Kurt demonstriert nicht nur
symbolisch, indem er Kleider trägt und sich schminkt, sondern
schreibt über eine großangelegte Revolution: Er hat im Prinzip
dieselben Ziele wie John Lennon, er mag Blumen, Hundebabies, Liebe,
Generationssolidarität, Sex, Platten, Fairness – aber er glaubt
nicht an eine friedliche Durchsetzung, obwohl er selbst irgendwie
doch pazifistisch ist. Und feministisch: Frauen sind die Zukunft des
Rock'n Roll, und sie sollten die Welt regieren, schreibt er, und dass
Frauen in jeder Hinsicht überlegen sind und weniger gewalttätig als
Männer. Kurt ist in jeder Hinsicht ein Revoluzer: Ohne Demos und
besondere politische Ziele, eher gesellschaftlich – er beklagt sich
und denkt, er verbessert nichts, aber genau das tut er: Er stiftet
Identität in der Verlorenheit einer Generation, er ändert
Einstellungen, er schreibt 6 Regeln auf:
1 Don't rape
2 Don't be prejudice
3 Don't be sexist
4 Love your children
5 Love your neighbor
6 Love yourself
Und eben mit diesen sechs
Regeln macht er dem politischen und gesellschaftlichen Anspruch der
Musik Luft. Obwohl Kurt ungezählte Krankheiten hatte, weltenfremd
und doch realistisch war, hat er die beste Musik eines gesamten
Jahrzehnts geschrieben und gesungen.
Jetzt, ganze 11 Jahre nach
seinem Tod ist von ihm in der Popkultur nicht viel übriggeblieben
außer Mädchen, die T-Shirts mit Nirvana-aufdruck tragen und dabei
wenn überhaupt an Buddhismus denken. Aber trotzdem ist seine Musik
genauso relevant wie Anfang der 90er, als Nirvana mit ihrem Song "Smells like teen spirit" über Nacht berühmt wurden – welcher Teenager ist nicht
irgendwann wütend, verloren, aggressiv oder einfach traurig? Genau
da wird seine Musik wieder aktuell. Die Texte, die er schrieb, sind
zeitlos – und seine zentrale Botschaft auch:
Punkrock bedeutet
Freiheit.
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