Tiere sind Freunde, kein Futter! Oder: Wie man Vegetarier bleibt.

Text von Mary, Collage von Dora
"Wie? Du isst kein Fleisch? Das könnte ich aber nicht!"
Ich hätte wirklich Strichliste führen sollen, wie oft ich diese Sätze in meiner achtjährigen Vegetarierzeit schon gehört habe. Unverständnis, völlige Ahnungslosigkeit oder ein verzweifelter Biss ins Wurstbrot angesichts der Tatsache, dass jemand Fleisch verschmähen könnte. Ich esse also meinen Kartoffelkloß ohne die Bratensoße und keine Pizza Salami. Ich esse keine Burger bei McDonalds, und ich esse kein fischiges Sushi. 
"Was isst du denn dann?!"
Alles andere! Diese Frage stößt bei mir auf völliges Unverständnis und wird mit einem bösen Blick meinerseits quittiert - es gibt doch viel mehr Gemüse als Fleisch. Ich habe festgestellt, dass man, sobald man sich diese Philosophie des Essens auferlegt, mehr Spaß beim Essen und Kochen hat. Das fängt beim Abendbrot an. Wenn ich keine Lyoner auf mein Brötchen will, dann weiche ich auf anderes aus - aber nicht nur Käse. Die schier unendliche Vielfalt von vegetarischen und meist sogar veganen Brotaufstrichen auf dem Tisch beschert einem oft die Qual der Wahl. Es muss noch nicht mal teuer sein, viele kann man einfach nachmachen. 
Und selbst den überzeugtesten Fleischessern fällt etwas zum Kochen ein, wenn man zu Besuch ist. Das Beliebteste sind wohl Nudeln oder Kartoffeln  - aber wer würde sich beschweren? Es schmeckt ja auch ohne den Speck. Noch nicht einmal deutsche Restaurants sind ein Problem. Ich kann getrost sagen, dass es mit der Zeit besser wurde: vor acht Jahren, als ich Vegetarierin wurde, gab es oft nur Pommes oder Kloß mit Rahmsoße bei volkstümlichen Lokalen. Mittlerweile gibt es meistens sogar eine eigene Vegetarier-Rubrik. Vor kurzem entdeckte ich ein Tofufilet in einem der ältesten Gasthäuser hier in der Gegend, in einem 4000-Seelen-Kaff. Ein Tofufilet! Dem Himmel sei Dank. Und es hat sogar geschmeckt. Diejenigen um mich herum, die normalerweise das Wort Tofu aussprechen, als bliebe ihnen der trockene Vegetarierfraß im Hals stecken, hatten mir binnen kürzester Zeit das halbe Schnitzel weggefuttert. Das sei ja doch ganz lecker, sagten sie. Eben.
Und um die restlichen Bedenken aus dem Weg zu räumen: Auch Grillpartys gehen problemlos. Meistens bringt sich eh jeder selbst sein Zeug mit, und wenn nicht, macht der Vegetarier es trotzdem. Viele Tofubratlinge, Fake-würstchen und Tofubällchen schmecken tatsächlich besser als das Original (vorrausgesetzt man kauft die Richtigen. Aber auch das ist in den letzten Jahren viel besser geworden. Man kaut nicht mehr auf Birkenstocksandalen wie in den Anfangszeiten, sondern muss sein Essen meist mit den Fleischessern teilen.) . 
Aber neben dem ganzen leckeren Essen hat das Vegetariersein einige Regeln.
Erstens, einfach aus Respekt: Man sollte den Fleischessern nicht ständig unter die Nase reiben, dass das Tier auf ihrem Teller grausam gelebt hat und noch schlimmer gestorben ist, und dass Fleisch ungesund ist und all die tausend Argumente für eine vegetarische Ernährungsweise. Das verursacht bei dem Missionierungsopfer nichts als Trotz. Menschen gesundheitliche Tipps zu geben ist nett gemeint, aber leider werden Vegetarier dabei oft zu aggressiven Missionaren nach dem Motto "Friss und stirb, du Barbar!" . Subtil ist das Zauberwort. Wenn man oft genug Tofu anbietet, probiert derjenige es irgendwann. Und wenn es ihm nicht schmeckt, dann ist das auch in Ordnung. Man kann trotz besserem Wissen nicht jeden zum Vegetarier machen.
Zweitens: Am besten legt man sich eine kleine Standarderklärung auf manche Fragen zu. Hier sind meine Tipps.
"Warum bist du Vegetarier?"
Weil es gesünder ist, für mich und für die Tiere. (Oder, für die John Green Fans unter uns: Weil ich die Zahl der Tode, für die ich verantwortlich bin, möglichst gering halten will).
Wenn ich wirklich genervt bin, weil ich die Frage zum hundertsten Mal von derselben Person gehört habe, knalle ich meinem Gegenüber alle Gründe, die mir gerade einfallen, an den Kopf.
Der Klimaschutz. Meine Gesundheit. Tiere sollten nicht leiden, sie fühlen genau wie wir. Angst und Stresshormone im Fleisch. Erhöhtes Herzinfarkt und Krebsrisiko. Ungerechte Tierhaltung. Erhöhte Aggressivität durch Fleischkonsum. Und so vieles mehr.
"Vermisst du nicht manchmal das Fleisch?"
Einfach ehrlich antworten. Ja, ich liebe Bratwurst. Nein, ich esse es trotzdem nicht.
"Ich könnte nicht auf Fleisch verzichten."
Doch. In Fleisch ist ein Stoff, der beinahe drogenähnlich wirkt und abhängig macht. Nach drei Wochen "Entzug" ist das Bedürfnis nach Fleisch rein körperlich völlig verschwunden.
"Fehlen dir dann nicht Nährstoffe?"
Nein, ich ernähre mich ausgewogen,
"Du isst den Tieren das Essen weg! Der Regenwald wird abgeholzt wegen deinen Sojaschnitzeln."
Was?! Nein. 95 Prozent der für Sojaanbau abgeholzten Regenwaldflächen dienen dem Sojaanbau den die Rinderzucht fordert. Es ist genau andersherum.
Und jetzt, meine absolute Lieblingsfrage aufgrund der Absurdität:
"Wenn du in einer Wüste wärst, ganz allein mit einem Schwein, würdest du das essen, um zu überleben?"
Ein Augenrollen und ein Themawechsel reichen als Antwort auf diese Frage völlig aus. 
Drittens: Eine korrekte Bezeichnung seiner Essgewohnheiten ist wichtig. Wer ab und zu ganz selten Fleisch isst, ernährt sich vorwiegend vegetarisch, ist aber kein Vegetarier. Wer Milchprodukte und Ei isst, ist ein Ovo-Lacto-Vegetarier, im Volksmund als Vegetarier bekannt. Wer gar keine tierischen Produkte isst oder benutzt, ist ein Veganer.

Im Prinzip ist es ganz einfach: Man isst kein Fleisch, oder nichts, wofür ein Tier sterben musste. Übrig bleibt immer noch eine riesige Vielfalt von verschiedenen Gerichten. 
Da ich seit acht Jahren kein Fleisch mehr angerührt habe (ich bin 16), kann ich außerdem mit Fug und Recht sagen: Es ist so viel leichter geworden! Vegan oder vegetarisch zu leben ist mittlerweile zu einem regelrechten Trend mutiert. In jeder größeren Stadt findet sich ein vegetarisch/veganes Restaurant, ein Bio-Supermarkt und alles weitere, was das Vegetarierherz so braucht. Und auch die dummen Fragen (siehe oben) sind weniger geworden. In der Gesellschaft wird das Verständnis für eine fleischlose Ernährung größer.
Und was mache ich, wenn ich doch einmal Lust auf Fleisch habe? Nichts. Ich denke einfach daran, warum ich Vegetarier bin. Und mit jedem Essen bin ich froh darum.
Guten Appetit!

Mary
birdiewearsatie.blogspot.com

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