Immer dieses jetzt oder Wenn ich mir wünsche, die Zeit verginge schneller, schleiche ich mich in meine Zukunftsgedanken

Illustration und Text von Lena


'In den Winterferien werde ich unheimlich viel Zeichnen und Lesen und Museen besuchen und alles wird viel cooler sein als jetzt!'
'Während den nächsten Wochen werd' ich mich echt mehr mit Van Gogh beschäftigen.'
'Nächstes Schuljehr wird bestimmt SO aufregend, ich werde all diese neuen Leute kennen lernen und mehr Slacklinen und Tanzen und alles wird leiwand!'

Hunderttausend dieser futuristischen Gedanken tagtäglich in meinem Gehirn. Und manchmal habe ich wirklich das Gefühl, mehr in der Zukunft zu Leben als hier und jetzt.
Die nahe Zukunft ist aber auch ein viel zu schöner Fluchtweg aus dem Alltag... Alles könnte irgendwie theoretisch passieren, ich könnte irgendwie überall sein in einem Monat, einem Jahr. Als 'Teenager*in' geht alles so schnell und doch so langsam und irgendwie ist das verwirrend.

Vor allem Yoga hat mir in letzter Zeit immer wieder gezeigt, wie schwierig es eigentlich ist, im 'jetzt' zu 'sein'. Denke an nichts, sei komplett im Hier, für die nächsten paar Momente gibt es kein Gestern oder Morgen, nur der Moment ist, was jetzt zählt. Ein Zustand, den ich bis Dato noch nie (allerhöchstens in komplett betrunkenem Zustand) erlebt habe, dieses Jetzt.

Ich kann mich noch erinnern, vor drei Jahren, in dem Sommer, nach dem ich die Oberstufe wechseln wollte, malte ich mir täglich bei meinen Laufrunden die nahe Zukunft aus. Neue Freunde, neue Lehrer, neue Schule, eine neue Stadt. Und ich stellte mir alles immer so wunderbar und lustig und leiwand vor. Und so wurde es dann natürlich nie. Aber das genau war wahrscheinlich auch der Grund, aus dem ich dieses unbedingte Bedürfnis verspürte, mir jetzt sofort vorzustellen, wie es wohl dann, irgendwann, sein können würde: Flucht aus dem Alltag, Sprung in die Zukunft. Und alle sind glücklich. Zumindest gedanklich.

Seit dem Wechsel in die Oberstufe gab es bei mir nun pro Jahr mindestens einen dieser großen 'Umfeldswechsel': Auslandsjahr, Rückkehr, Schauspielschule. Und immer davor die gleichen Kopfkino-Sessions: Wie wird dann alles sein? Wie werde ich die Stadt erkunden? Mit dem Rad? Wer wird zu meinen zukünftigen Freunden gehören? Wie wird mein Zimmer aussehen? Was werden wir uns Montagsabends im Freilichtkino ansehen? Komödien? Dann folgte darauf die Antwort, und wenn mein Alltag dann etwas 'Routinenhaftes' angenommen hatte, kam eh schon wieder die Vorbereitung und das Hirnzerlegen und Vorstellungskraft einschalten für den nächsten Wechsel.

Manchmal ist es also vielleicht ganz hilfreich, sich einfach aus dem  jetzt (was immer das auch sein mag) zu beamen und eigentlich ganz woanders sein zu können. Vor allem, wenn die Gegenwart einfach gerade öde und scheiße ist. In letzter Zeit habe ich aber trotzdem immer öfter das Gefühl, ich brauche dieses 'vorplanen' und diese hunderttausend Wechsel einfach, um mich selbst durch immer und immer wieder kommende Neuanfänge verändern und neu definieren zu können. Wobei das mit der Selbstdefinition ja sowieso so eine Sache ist... Warum sollte man sich für andere Umfelder neu definieren? In der Theorie ist es mir ganz klar, dass ich mich für andere nicht definieren, beweisen muss. Praktisch anwenden kann ich diese so befreiend klingende Theorie leider meißtens trotzdem nicht...

Eigentlich habe ich mit dem jetzt und meinen Gedankenreisen in die Zukunft begonnen und nun bin ich also anscheinend bei Selbstdefinition angekommen. Schön. Oder? Irgendwie hängt das ja eh alles zusammen.
Eigentlich habe ich mir erhofft, am Ende dieses.. ähm.. Artikels(!?) zu einem netten Resultat zu kommen, einer Diagnose oder ähnlichem. Anscheinend spielt's das heute eben nicht. Aber soviel noch dazu:

Vielleicht wäre es doch manchmal ganz gut, ganz hier zu sein. Nicht irgendwo, im nie erreichbaren, sondern hier. In diesem mysteriösen, so-genannten Begebenheit namens jetzt.
Vielleicht sollten wir alle zu NO-FUTURE-Yogis werden.

In nächster Zukunft....

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